Die Vorfälligkeitsentschädigung zurückholen: BGH, Urteil vom 19. Januar 2016, Az.: XI ZR 103/15

Von Bernd V.

Letzte Aktualisierung am: 6. Februar 2024

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Banken dürfen keine Vorfälligkeits­entschädigung verlangen, wenn sie den Kredit kündigen.
Banken dürfen keine Vorfälligkeits­entschädigung verlangen, wenn sie den Kredit kündigen.

Kann ein Kreditnehmer seinen Pflichten nicht mehr nachkommen, droht ihm eine Kündigung des Darlehens seitens der Bank.

Dies ist gerade bei Immobilienkrediten besonders schmerzhaft: Oft ist die Kündigung mit einem Zwangsversteigerungsverfahren der finanzierten Immobilie verbunden.

Viele Banken verlangen zudem noch zusätzliche Zahlungen: Eine Vorfälligkeitsentschädigung wird fällig. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied im Januar 2016 allerdings, dass eine solche Zusatzforderung unzulässig ist.

Im Folgenden erfahren Sie, wie der BGH seinen Entschluss begründet und welche rückwirkende Konsequenzen sich aus dem Urteil ergeben.

Kurz & knapp: Vorfälligkeitsentschädigung zurückholen für Schnellleser

Wann könne Banken Kreditverträge kündigen?

Können Verbraucher die Raten für einen Kredit in zwei aufeinander folgenden Monaten nicht begleichen, ist eine Kündigung möglich.

Welche Folgen hat es, wenn die Bank einen Kredit kündigt?

Kündigt die Bank ein Darlehen, wird die Restschuld umgehend fällig. Zusätzlich dazu fallen noch Verzugszinsen an. In der Vergangenheit verlangten die Banken zusätzlich außerdem die Vorfälligkeitsentschädigung. Dieses Vorgehen war laut BGH allerdings unrechtmäßig.

Ist das Urteil auch für neue Verträge relevant?

Nein, denn der zugrunde liegende Paragraph (§ 497 Absatz 1 BGB) wurde im Juni 2010 überarbeitet. Das Urteil des BGH betrifft somit ausschließlich Verträge, die die vor Juni 2010 geschlossen wurden.

Kündigung durch die Bank: Ein Worst-Case-Szenario

Unter Umständen reichen zwei aufeinanderfolgende, nicht beglichene Raten, um eine Kündigung seitens der Bank zu rechtfertigen. Dies bringt manch einen Kreditnehmer in die Bredouille: Er muss daraufhin das komplette restliche Darlehen begleichen.

Dieses muss zusätzlich mit sogenannten „Verzugszinsen“ verzinst werden. Verlangt die Bank noch einen weiteren Schadensersatz, kann dies schwerwiegende Konsequenzen – etwa eine Insolvenz – nach sich ziehen.

Die aktuelle Zinsentwicklung führt zudem dazu, dass eine Vorfälligkeitsentschädigungen aktuell besonders hoch ausfallen. Dies begründet sich in dem rasanten und erheblichen Zinsverfall in Europa.

Eine Kündigung ist in diesem Kontext für Banken besonders lukrativ. Einige Kreditinstitute „lauern“ aufgrund dessen regelrecht auf Kunden, welche in zeitweilige Zahlungsschwierigkeiten geraten.

Der BGH entschied im Januar 2016, dass der Verzugszins die einzige Strafzahlung im Falle einer Bankkündigung sein darf. Die Höhe dieses Zinses ist genau festgelegt. Eine zusätzliche Forderung ist unzulässig.


Der besprochene Gesetzespassus (§ 497 Absatz 1 BGB) ist im Juni 2010 überarbeitet worden. Das Urteil des BGH gilt daher für jene Verträge, die vor Juni 2010 geschlossen und anschließend von dem Kreditgeber gekündigt worden sind.

Die Vorgeschichte des Urteils

Bereits 2013 stand die Vorfälligkeitsregelung bei von der Bank gekündigten Krediten auf dem Prüfstand des BGH. Dieser ließ bereits dann in der mündlichen Verhandlung des Falles durchklingen, dass er eine drastische Begrenzung der Entschädigungssumme anstrebt.

Indem die betroffene Bank daraufhin auf die Rückforderung des Klägers einging, kam es 2013 zu keinem schriftlichen Urteil.

Aus diesem Grund hat sich die Praxis der Kreditnehmer, fünf- bis sechsstellige Ablösesummen zu fordern und im Falle einer Zwangsversteigerung automatisch zurückzuhalten, weiterhin durchgesetzt.

Ein schriftliches BGH-Urteil hat nämlich eine starke Wirkung: In sämtlichen folgenden Fällen können sich Verteidiger auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs beziehen.

Was bedeutet dies für den Verbraucher?

Das Urteil ist zehn Jahre rückwirkend gültig.
Das Urteil ist zehn Jahre rückwirkend gültig.

Dieses Urteil bekräftigt die Rechte der Verbraucher: Durch eine außerordentliche Kündigung darf ein Kreditnehmer keinen Profit schlagen.

Die Besonderheit der BGH-Entscheidung: Sie betrifft Kündigungen, die bis zu zehn Jahre zurückliegen.

Verbraucher, denen also innerhalb der letzten zehn Jahre ein Darlehen inklusive Vorfälligkeitsentschädigungs­forderung gekündigt wurde, sollten daher schnellstens mit einem Anwalt Kontakt aufnehmen, welcher sich auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert hat.

Eine drohende Zwangsversteigerung abwenden

Oftmals sind Kreditnehmer bei einer Verzugskündigung nicht in der Lage, die verzinste Restschuld und eine zusätzliche Vorfälligkeitsentschädigung abzuleisten. Banken drohen in diesem Fall mit einer Zwangsversteigerung, welche sie aufgrund der erhaltenen Grundpfandrechte auch durchsetzen können.

Durch das BGH-Urteil steht den Verbrauchern und ihren Anwälten ein Verhandlungsmittel zu Verfügung, um eine außergerichtliche Einigung zu erzielen.

Erschöpfende Begründung des BGH zum Urteil vom 19. Januar 2016, Aktenzeichen XI ZR 103/15: Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei Kündigung durch die Bank.
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Die Vorfälligkeitsentschädigung zurückholen: BGH, Urteil vom 19. Januar 2016, Az.: XI ZR 103/15
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Über den Autor

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Bernd V.

Bernd hat eine abgeschlossene Ausbildung als Einzelkaufmann und arbeitete mehrere Jahre im Elektrofachhandel. Anfang 2020 stieß er zum Team von vorfaelligkeitsentschaedigung.net und arbeitet seitdem für uns als Redakteur. Er schreibt vor allem übers Finanzrecht und gibt Ratschläge zu Darlehen und Kreditverträgen.

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